Mittwoch, 24. Dezember 2008

Der Papst bläst uns den Marsch

Im ach so liberalen Montréal gibt es, wie sich herausstellte, doch nur eine einzige Gemeinde, die eine alternative sexuelle Orientierung der Mitglieder ohne Zähneknirschen hinnimmt. Erstaunlicherweise handelt es sich dabei um Katholiken. Wer hätte das gedacht?

Zwar haben sowohl Messdiener als auch Bischöfe und Priester katholischer Konfession seit jeher einen eher metrosexuellen Kleidungsgeschmack, dies schien aber nie Ausdruck einer offenen Einstellung gegen Andersfühlende zu sein. Der Papst und die von ihm im Amt Eingesetzten sind keine verkappten Transvestiten oder gar Freizeit-Drag-Queens, nein, die seltsame Kleiderordnung gehört zur Liturgie.

Man trippelt zum Altar, man schwingt Weihrauch und singt in tiefem Bass auf der Kanzel stehend aus dem Evangelium, aber das Statement bleibt zugeknöpft wie immer. Am 23.12.2008 unterstrich Benedikt XVI. noch einmal in einer Rede vor der Kurie, daß er alles über die heimlichen Pläne der Homosexuellen wisse. "Wir" versuchen "die Familie" zu unterwandern, wollen Lehrer werden, um Kinder in unsere Reihen zu ziehen und gehen Pseudoehen ein, um auf Pärchenabenden das HI-Virus im Aperitif zu verstecken.

Wie kann es also sein, daß eine katholische Gemeinde in Montréal homosexuelle Mitglieder nicht nur willkommen heißt, sondern im Eingangsbereich der Kirche neben Info-Blättchen zum Gottesdienst und Einladungen zu gebetsgetränkten Strickabenden von Witwen unter 90 auch Argumentationsbroschüren zum Thema Homosexualität und Kirche ausliegen hat?

All diese Fragen stellten sich auch F. und A., als sie am 24.12. abends die Weihnachtsmesse besuchten und ein Gotteshaus erblickten, das zu 80% mit schwulen, bekleideten Endvierzigern gefüllt war. Die ca. 400 Anwesenden applaudierten zu dem fast legendären Eröffnungssatz, der da aus dem Munde des Priesters E. kam: "Nun lasset uns die Wort Benedikts XVI. vergessen." Man konnte es unter dem weiten weißen, mit Gold bestickten Gewand nicht sehen, aber der Mann hatte definitiv die Hosen an und einen Arsch in selbigen.

Was folgte war ein sehr schöner, feierlicher Gottesdienst. Der Herr sei mit Euch!

Mittwoch, 10. Dezember 2008

Video: So räumt man Schnee weg!

Tolle Teamarbeit in den Straßen Montreals.

Viel Spaß beim Anschauen!

http://www.youtube.com/watch?v=w4dAPFb6MeM

Dienstag, 9. Dezember 2008

20cm in 6 Stunden


Gestern Abend lag nur hie und da ein Krümelchen Schnee, Heute morgen sind das Auto dick bedeckt und die Straße zu bei -12°C (gefühlt -19). Yippieh, denkt F. für circa drei Sekunden, bevor sie sich daran erinnert, daß das Auto freigekratzt werden muß und der Schnee beim noch so vorsichtigen Öffnen der Autotür auf den Sitz fallen wird. Das Eis sitzt unter den Scheibenwischern, der Schnee fällt so dicht, daß man nur 20 Meter schauen kann und der Verkehr läuft quälend langsam.

Im Park wird gestapft, während die Schneeflocken auf F.s vorstehendem Schal kleine Türmchen bilden. Bei dem Wetter verschneidet doch tatsächlich ein Parkarbeiter die Bäume. Im Oktober war dazu wohl zu gutes Wetter. Beim Bäumestutzen will man sich ja schließlich von eisigen Böen quälen lassen, sonst ist das Feeling nicht so jack-london-mäßig.

Das Tier wühlt sich endlos durch den Schnee, wälzt und robbt, zieht mit der Schnauze Schneisen durch das Pulver und friert gar nicht. F. verwirft den Gedanken an einen wärmenden Hundemantel endgültig und beschließt, das Geld stattdessen für eine Sturmhaube auszugeben.

Nach einer anderthalben Stunde Gassi liegen auf dem Auto schon wieder 5cm Schnee. Der Kombi hat hinten keinen Scheibenwischer, aber die interessanten Dinge passieren beim Autofahren eh vorn. Wer möchte schon auf die Kadaver längst überfahrener Kleinkinder und Kuschelpuschelhasen zurückblicken?

Abends läßt der Schneefall dann nach und geht später in gefrierenden Regen über. Regen, bei -9°C? Wer hat sich das denn ausgedacht? Neben den parkenden Autos liegt eine 40cm hohe Schneewulst, die friert bis morgen früh und muß dann abgetragen werden - ob die Stadtreinigung das übernimmt? Für den Fall, daß das nicht so ist, haben F. und A. heute eine Schneeschippe gekauft, zusätzlich zu

  • dem kurzen Besen für den Schnee
  • dem langen Besen für den Schnee
  • dem Eiskratzer
  • dem Schloßenteisungmittel
  • der Scheibenwischerflüssigkeit bis -45°C
  • dem Sandsack
  • und den Fleecedecken.

Den Winter haben eindeutig die Kapitalisten erfunden. Alle anderen Jahreszeiten übrigens auch.

Montag, 8. Dezember 2008

Was Häuser in Kanada von einfachen Erdlöchern unterscheidet

  1. Die Häuser bestehen aus Holz, Erdlöcher aus Erde. Erdlöcher haben unendlich dicke Wände, Häuser nur 10cm getackerte Spannplatten mit etwas Dämmwolle dazwischen --> 0:1 für die Erdlöcher
  2. Kanadische Häuser haben keine Doppelfenster, es zieht wie Hecht. Erdlöcher haben keine Fenster, es kann nicht kalt hineinziehen. --> 0:2 für die Erdlöcher
  3. Ohne Fenster kein Licht! Erdlöcher sind stockduster. Wenig Licht durch blöde Grundrisse und komische Fensteranordnung in den Häusern. --> 1:2 für die Erdlöcher
  4. Kanadische Häuser haben Strom (außer 1mal pro Woche für eine Stunde während des obligatorischen Ausfalls), stark gechlortes Wasser (kocht man ungefiltertes Leitungswasser, riecht es nach Schwimmbad) und eine schlecht konzipierte Heizung (23°C angezeigt, 18°C gefühlt). Erdlöcher haben keine Heizung, kein Wasser, keinen Strom. --> 2:2
  5. In Erdlöchern wohnt man meistens ohne Nachbarn. Im Eingang des Hauses nebenan wohnt eine Harfistin, die öfter ihre Seele und ihren gesunden Menschenverstand beim Klang des Instrumentes baumeln läßt. Tröstlich, von kulturell Interessierten umgeben zu sein. --> 3:2 für die kanadischen Häuser

ENDSTAND: 3:2 - der Sieg geht knapp an die Häuser. Aus diesem und aus anderen gewohnheitstechnischen Gründen bleiben F., A. und J. in ihrer Wohnung. Die mangelnde Isolation wird zur Kulturstudie, die Fenster klebten F. und A. mit durchsichtiger Folie und doppelseitigem Klebeband zu, bei Stromausfall helfen Teelichte von Ikea, das Wasser wird mit Britta gefiltert, F. ist so dick angezogen, daß ihre Arme komisch vom Körper abstehen und die Harfistin bekommt zu Weihnachten eine Hundepfeife. Man wächst an seinen Herausforderungen.

Sonntag, 7. Dezember 2008

In 24h von 5 auf -20(-30)

F. glaubt, sie spinne. Noch gestern zeigte das Thermometer tagsüber schnuckelige 5°C, heute erfolgte innerhalb weniger Stunden ein freier Fall auf -20°C bei 35km/h Windgeschwindigkeit. Das macht dann -30°C gefühlte Temperatur und sich von innen zusammenklebende Nasenlöcher (Stichwort gefrierende Popel). Dabei schneit es nur ganz sachte.
  • 10 Minuten Stehenbleiben, damit das Tier mit einem anderen Hund spielen kann: weltraumähnliche Kälte ergreift F.s Körper
  • Kurzes Ausziehen eines Fausthandschuhs, um den Schal weiter ins Gesicht zu ziehen: Hände verfärben sich in Richtung hellbeige, tun danach so, als gehörten sie nicht mehr zum Körper und versagen wenig später komplett den Dienst - der Schal bleibt zu niedrig
  • unerwarteter Harndrang beim Spazierengehen: Glattgefrorene Urinpfütze zwischen den Nadelgehölzen, F.s Unterleib protestiert "mit Nachdruck"

-30°C gefühlte Temperatur werden hiermit von F. als eindeutig zu kalt befunden. Wer auch immer behauptet hat, man könne den Unterschied zwischen -15° und -30° nicht wirklich wahrnehmen, war ein elender Lügenbold und sollte zu 10 Folgen "Verliebt in Berlin" verurteilt werden. Den Unterschied merkt F. schon allein daran, daß ihr eigener Atem auf dem Brillenglas eine Eisschicht bildet.