Dienstag, 16. März 2010

Sachsens Stolz, Autos Schmerz.

Mehr oder weniger liebevoll erinnert F. sich an den unmöglichen Menschen, der in Montréal die Scheibenwischer unsanft ihrer Nähe zum Auto beraubte. Nun passierte Ähnliches mit der alten Suzukischmette hier in der Nähe von Stuttgart - Stadt der oberen Mittelschicht ohne alternative Tendenzen. Bösartige Mistpimmelchen, wahrscheinlich zwischen 15 und 20 Jahren alt, rissen beide Außenspiegel, den hinteren Scheibenwischer und die Antenne vom Gefährt. Experten gaben als mögliche Ursache an, daß das Auto frecherweise noch über ein NOL Kennzeichen mit sächsischem Wappen verfüge. Welch unglaublicher Affront! Natürlich ist es absolut unaushaltbar, wenn wohlhabende Jugendliche in einer Kleinstadt vor Stuttgart mit einem Armeleuteauto aus dem bösen Sachsen konfrontiert werden. Die schlechtere finanzielle Situation anderer Bürger kann einen wirklich aufregen. Da muß man handeln! Was liegt also näher, als die Besitzer des Wagens durch mutiges Handanlegen davon zu überzeugen, eine Neuanschaffung beschleunigt vorzunehmen? Die Umwelt lüpft auf jeden Fall dankend den Hut. 
F. grübelt jedoch noch immer, wie um alles in der Welt die Bildung der Täter derart ausgefeilte Ausmaße annehmen konnte, daß sie tatsächlich dazu in der Lage waren, ein sächsisches Wappen zu identifizieren. Was ist da in der Hauptschule schiefgelaufen? War der Lehrer zu gut? Waren die Schüler zufälligerweise ausgeschlafen und nüchtern? Verstanden sie gar die Arbeitsanweisung der Lehrkraft und kamen so zum ungewohnten Kompetenzzuwachs? Man wird wohl auf ewig im Dunkeln tappen.
Flutendes Licht widerum drang jüngst in die Wissenslücke um das Wesen von 8. und 9. Klässlern. F. sieht es endgültig als erwiesen auch, daß auch 14 und 15jährige Jugendliche zur Gattung Mensch zu zählen sind. Dies fand sie in umfangreichen persönlichen Studien im Rahmen ihrer Tätigkeit an der Schule heraus. Zwar wäre es trotzdem stressfreier, die jungen Leute mit spätestens 13 in ein künstliches Koma zu versetzen und erst fünf Jahre später wieder zu wecken; da diese Vorgehensweise aber erheblichen logistischen Aufwand bedeutet, kann auch ein Verbleiben im Wachzustand in Betracht gezogen werden. Obwohl verzaubert und in vielerlei Hinsicht - teilweise sogar auf freiwilliger Basis - vollkommen entstellt, besitzen stark pubertierende Menschen durchaus gute Eigenschaften. Sie fördern die Genußmittelindustrie und gestalten die Weiterentwicklung von Tabakwaren und Alkohol maßgeblich mit. Sie kaufen die neonfarbenen Turnschuhe, um Platz für schönere Modelle zu schaffen. Sie rufen einem ins Gedächtnis, warum es auch gut sein kann, der fummeligen Friseuse nicht vollkommene Schnittfreiheit zu geben. Sie lassen die eigene Haut reiner und die Intelligenz größer erscheinen. Sie geben einem Anlaß, das erreichte Alter mehr als Geschenk und weniger als Verfall zu betrachten. Danke, liebe 8. und 9. Klässler! F. nimmt lieber die Sechser oder Zehner, aber sie erkennt Eure Vorzüge dennoch an. Ihr müßt Euch nicht fürchten! Der Zustand der allgemeinen Verwirrung geht meistens vorbei. Ansonsten könnt Ihr immernoch zum Fernsehen gehen... oder in die Lokalpolitik.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen