Montag, 12. April 2010

Jetzt machen wir erstmal nichts. Dann sehen wir weiter.

Im grauen Stuttgart hat man soviel Angst vor der grünenden Natur, daß man sich dazu entschloß, die Bäume einzusperren. Das kostet einige Meter Zaun, aber hierzulande erfreuen sich die Bürger glücklicherweise großen Wohlstands. Besonders ausbruchsgefährdete Exemplare pfercht man unter unbaumlichen Bedingungen in kleinen Rundkerkern öffentlichkeitswirksam ein - als ständige Warnung für die anderen Bäume und Pflanzen. Wie man auf dem Bild sehen kann, nützt diese Maßnahme rein gar nichts. Während die eingesperrten Bäume traurig blätterlos bleiben, grünt die freie Wiese drumherum fröhlich vor sich hin, Narzissen gedeihen ungeniert. Das mahnende Beispiel der verurteilten Kameraden vor Augen, sündigen die anderen Pflanzen dennoch weiter! 
Es stellt sich die Frage nach dem Sinn der Strafe. Lassen sich gewisse, recht natürliche Handlungen unterbinden, indem man vom eigentlichen Sachverhalt losgelöste Sanktionen verhängt? Genauer gefragt: wird ein Schüler, der auf einer A4-Seite 25mal den Satz 'Ich muß pünktlich und vorbereitet zum Unterricht erscheinen.' dann zukünftig auch wirklich genau dieses tun? Falls nicht, soll man die Strafarbeit trotzdem verhängen, obwohl man weiß, daß keine Besserung eintreten wird - quasi nur um den Übeltäter 'zu ärgern'? Entscheidet man sich für genau diese Variante, löst man die Strafe gänzlich von der begangenen 'Untat' und gesteht somit selbst ein, daß Besserung nur ein Sekundärziel ist, man den Schüler und eine Änderung seines Verhaltens gar aufgegeben hat. Damit wäre man nur einen winzigen Schritt entfernt von der Totalkapitulation und der Erkenntnis, daß alle Schüler sowieso von Grund auf schlecht sind und aus dieser Phase bestenfalls herauswachsen können. Das Gute im Schüler sieht ein solcher Pädagoge nicht, viel zu sehr wird es überschattet vom omnipräsenten Potential zur Missetat seitens des Kindes.
Klingt ganz schön schwarz, nicht? Und mal ganz ehrlich, wo werden denn noch 25 Sätzchen als Strafarbeit geschrieben, wo sitzt man überhaupt noch nach für 10 Sekunden verspätetes Erscheinen oder Trinken  während der Stunde? Wo gibt es denn sowas?
In Baden-Württemberg.
Sind die Schüler dort folglich besonders brav, vergessen ihre Bücher seltener und stören den Unterricht weniger, aus bloßer Furcht vor stupider Mehrarbeit? 
Natürlich nicht.
Als Referendarin, die sich weigert, sinnlose Strafarbeiten zu verteilen, steht man dort natürlich ganz allein da. "Die Schüler erwarten das," wird einem gesagt, "die Schüler brauchen das," oder "Ohne geht es nicht," ist der Konsens. Sehr beliebt auch die Gegenfrage: "Na wie willst Du denn sonst reagieren? Du kannst ja nicht nichts machen." Natürlich kann man nicht nichts machen. Aber nur, weil einem gerade kein besserer Einfall kommt, vorerst zu einer völlig sinnbefreiten Maßnahme zu greifen, scheint selbst als Übergangslösung befremdlich. 
Man nehme einmal an, ein Terroristenteam an Bord eines Flugzeuges hätte beide Triebwerke zum Ausfall gebracht. Würde der Pilot, dem momentan keine bessere Idee kommt, die Übeltäter nun vogelgleich mit den Armen flattern lassen, obwohl er weiß, daß dies kaum die Flugeigenschaften des Vehikels verbessern dürfte? Bestimmt nicht. Hätten die umsitzenden, panischen Passagiere aufgrund der sinnlosen Maßnahme nun mehr Vertrauen in die Autorität des Piloten? Kaum.
Genauso lächerlich muß es auch auf Schüler wirken, wenn ratlose Lehrer ihnen seltsame Pauschalstrafen aufbürden, die mit der Problematik an sich nichts gemein haben. Das zehnmalige Aufschreiben einer Verhaltenvorschrift führt nicht automatisch zum Verständnis oder gar zur Umsetzung selbiger. Als die Lehrer Schüler waren, wußten sie das sicher noch. Später ging dieses Wissen während des Studiums verloren. So knallt der Mittdreißiger seiner Klasse im Ethikunterricht (!) pro Stunde zwei bis drei Strafabschreibübungen an die Backe und wundert sich schon gar nicht mehr, warum keine Wirkung einsetzt. Liegt an den Kindern. Die sind eh total verzogen. Pffft.

2 Kommentare:

  1. Eine schlüssige und doch verflixte Angelegenheit. Bleib ungehorsam.

    AntwortenLöschen
  2. Da fällt mir nur dieses Liedhttp://www.youtube.com/watch?v=_nXrQ7TEx94&feature=related zu ein...
    Du wirst scheinbar keine Alte Frau :-) brav weiter gegen halten

    AntwortenLöschen