Dienstag, 18. August 2009

Es geht hier um fümunzwansisch Oiro!

Auf der Arbeitsagentur kennen die Menschen nur drei emotionale Aggregatzustände: Apathie, aggressive Empörung und hoffnungslose Überforderung. An der Schlange zur Anmeldung wird am Telefon so laut über das Amt gelästert und gepöbelt, daß alle Anwesenden im 60qm Eingangsbereich vom geschehenen Unrecht erfahren. Am Schalter bringt die zuvor eloquente Pöblerin dann nur Satzfragmente ohne Verben heraus, was die ohnehin leicht genervte Sachbearbeiterin auch nicht gerade vom Bürostuhl reißt. Gefühlte 100 Kleinkinder und Säuglinge mit Müttern, die vor unter drei Jahren ihre Milchzähnchen in kleinen Holzdöschen deponiert haben, bevölkern das Gebäude. Die von Securitas gestellten Sicherheitsleute verhalten sich ebenso, wie ihre ALGI und ALGII beantragenden Brüder und Schwestern, nur daß sie dabei hellblaue Hemden tragen und 100 Euro mehr pro Monat herausbekommen.
F. hatte einen Termin und saß in einem ruhigeren Flügel. Der dicke Akteneinsammelmann mit seinem Aktenbollerwagen rollerte viermal vorüber, bevor Frau Barsch F. ins Zimmerchen bat, welches sie mit einer weiteren Bearbeiterin teilte. Gleichzeitig hereingerufen wurde Herr Kugel, der - seinem Namen entsprechend - beleibteste Mensch, den F. innerhalb der letzten sechs Monate hatte betrachten dürfen. Herr Kugel brachte seine Frau mit, die auch das gesamte Gespräch für ihn führte. Diese betonte gleich als Einleitung: "Es geht hier um fümunzwansisch Oiro!" und wiederholte jene wichtige Aussage nach jedem zweiten Satz. Herr Kugel schnaufte in seinen sehr gelbblonden Schnauzbart und nickte zustimmend. Als festgestellt wurde, daß er bis vor einem Monat noch bei der Firma Hoffmann angestellt gewesen war, kam F. trotz ihrer fantasievollen und weltoffenen Einstellung nicht umhin sich zu fragen, als was ein Mensch von mindestens 250kg Lebendgewicht wohl arbeiten könne. Türsteher? Eishockeytorwart? Sicher hatte Herr Kugel auch innere Qualitäten, wobei sich aber schon der Arbeitsweg als extrem problematisch herausstellen würde.
"Menschen soll man nicht nach ihrer Leibesfülle bewerten!", werden die empörten Leser jetzt ausrufen. Dies ist wohl wahr, doch stellen sich ab einem gewissen Maß an Übergewicht viele praktische Probleme, deren Lösungen auch gut bedacht werden wollen. Fragt Herr Kugel sich bei jedem Stuhl, ob der ihn halten wird? Was tun, wenn er eine enge Badewanne hat? Wie wiegt er seine Koffer, bevor er in den Urlaub fliegt? Um Letzteres zu bewerkstelligen, stellt F. sich nämlich immer auf die Waage, merkt sich das eigene Gewicht und besteigt jene dann den Koffer haltend noch einmal. Herr Kugel kann sowas nicht. Da seine Hemden und Hosen sehr groß sind, wiegen sie auch mehr. Muß deswegen angenommen werden, daß der Reisende öfter höhere Gepäckgebühren zahlt?
Leider konnte F. diese Frage nicht persönlich stellen, da Frau Barsch mit ihr fertig war, bevor Frau Kugel den Kampf um die 25 Euro beenden konnte. Falls sie ihn verloren hat, fehlt das Geld demnächst am Air Berlin Schalter oder Herr Kugel packt drei T-Shirts weniger ein. Man kann ja vor Ort auch mal schnell im Becken durchwaschen, an der Luft ist das ruckzuck trocken.

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