Freitag, 28. August 2009

Dein Kind, Dein Essen, Dein Zeugnis

Es gibt Menschen, die denken, Anerkennung, Lob und Dank wären nur begrenzt vorhanden auf der Welt. Sie scheinen zu glauben, es gäbe ein geheimes Becken, in dem der ganze Vorrat dieser drei schönen Dinge vor sich hin schwappt und ständig abnimmt, wird zuviel gedankt, gelobt und sich anerkennend geäußert. Je weniger Anerkennung nun vorrätig ist, desto weniger bleibt auch potentiell für diese Menschen selbst übrig - weswegen sie lieber schweigen, als durch das Lob an Anderen die möglichen positiven Aussagen über die eigene Person immer unwahrscheinlicher werden zu lassen.
Macht Uwe dem Jens ein Kompliment über die - zugegebenermaßen zufällig - recht wohlgeratene Tochter, so schmälert dies gleichzeitig die erhältliche Anerkennung für das eigene Kind. Also hält Uwe lieber die Klappe, denkt sich die netten Worte nur - und beraubt Jens so eines kurzen Glücksmomentes voll Vaterstolz.
Sagt die Ursel der Gaby, daß ihr Rindseintopf ganz ausgezeichnet geschmeckt hat, so zieht sie damit den eigenen Eintopf ein bißchen ins Negative - und läßt Gaby darum lieber im Unklaren darüber, ob das Mahl mundete.
Lobt Sonja ihren Sohn für das zwar durchschnittliche, aber doch gute Zeugnis, befürchtet sie, ihn zur zukünftigen Nachlässigkeit anzuhalten - und weist stattdessen auf die Drei in Chemie hin. Außerdem war sie selbst schließlich auch nicht so toll in der Schule. Weswegen sollte klein Paul nun an Lob erhalten, wovon sie nie abbekam? Stolz ist Sonja zwar schon sehr auf ihn, aber das muß der Junge nicht unbedingt wissen, sonst bildet er sich noch etwas darauf ein. Überhaupt weiß der ja eh, daßereinganzLieberist.
Die Menschen loben zu wenig, danken eher floskelhaft und erkennen durchaus an, leider aber oft nur im Stillen. Da sie selbst im Zweifel bleiben über den Wert und das Gute der eigenen alltäglichen Taten und Kleinigkeiten und Viele trotz ausreichend Lob am eigenen Werk immer etwas an sich zu bekritteln haben, trachten sie danach, möglichst auch ihre Mitmenschen im Dunkeln darüber zu lassen, was sie so alles Nettes denken. Dabei tut es gut, ehrlich anzuerkennen, weil auch der Gelobte meist Dank zurücksendet und sich freut. Man vergibt sich keinen Millimeter an Selbstwertgefühl und eigener Anerkennung beim Ausdruck von Freude über die Taten des Anderen. Das große Becken hat einen stetigen Zufluß, der es immer überlaufen läßt.
Solch einen Zufluß besitzen übrigens auch das Zierbecken der gläsernen VW-Manufaktur am Straßburger Platz und F.s Toilette. Letztere steht direkt neben dem Badfenster, sodaß sie auch auf dem Klo die Nachbarn beim fleißigen Wäscheaufhängen beobachten kann. Anerkennung freigiebig austeilen wollend, war sie schon manches Mal drauf und dran, sich aus dem Fenster zu lehnen und den Aufhängenden zur adretten Aneinanderreihung der Untertrikotagen und Hosen zu gratulieren. Getan hat sie es nie, aus Angst vor Abtropfunfällen auf den Badfliesen. Auch Lob hat seine pragmatischen Grenzen.

1 Kommentar:

  1. Wundervoll anschaulich in Fallbeispiele verpackt!
    Schade nur, das mir zum Schluss das Tropfen nicht aus dem Kopf gehen will :-)

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