Sonntag, 10. Januar 2010

Draußen liegt die Welt in Fetzen, laßt uns drinnen Speck ansetzen! (Fritz Eckenga)


So sind F. und A. samt J. nun nach S. umgezogen. Alle Dinge wurden mißmutig in Kisten gepackt, unter Ächzen fünf Stockwerke nach unten getragen, paßgenau in den LKW gebastelt und bei starkem Schneetreiben 550 Kilometer durch Deutschland gekutscht. Vor Ort packte man das ganze Geraffel sogleich wieder aus, bohrte zahlreiche Löcher in Wände und staubsaugte viermal. Die Wohnung ist recht schön, doch stört die Tatsache, daß sich rundherum enorm viel Stuttgart befindet. F. fühlte sich viel wohler in einer Behausung, die von allen Seiten mit Dresden oder zumindest Sachsen umgeben war. Nun jedoch heißt es Baden-Württemberg er- und überleben. Beim zufälligen Mitanhören von Gesprächen in der Öffentlichkeit stellt sich F. jetzt regelmäßig die Frage: "Ist das ein Dialekt oder ein Akzent?" Spricht der beleibte, bildungsferne Bürger in der Schlange des Hornbachmarktes eine exotische Fremdsprache oder doch nur dialektal stark entstelltes Deutsch? Muß man wirklich alle fünf Vokale und drei Umlaute der deutschen Sprache in die Artikulation des Ausdruckes 'Einsneunundneunzig' quetschen? Geht das nicht auch klarer? Anscheinend nicht.
Als F.s Vater in bestem Sächsisch Brötchen kaufen gehen wollte, prallten Welten aufeinander. Verständnislos blickte die Bäckereifachverkäuferin den guttural gurgelnden Mann an, der offenbar unter größten Schwierigkeiten versuchte, seine Bestellung hervorzupressen. Genauso irritiert vernahm der Sachse die seltsame Botschaft der Schwäbin und schlußendlich beschränkte man sich auf Zeichensprache. So soll es F. aber nicht ergehen. Große Mühe wird sie sich geben, durch klarer Worte Klang ihrem Anliegen eine leicht verständliche Stimme zu verleihen; aus unendlicher Langmut soll ihr Geist gemeißelt sein, wenn ihr Ohr die Äußerungen des Gegenübers in Empfang nimmt! Die Kommunikation wird beispiellos sanft dahinmäandern!
Ebenfalls sanft, dafür aber in großen Mengen fiel während der letzten Tage der Schnee. Die neuen Gassigehgebiete, allen voran der Wald rund um den Frauenkopf, wurden deswegen ganz in weiß erstbegangen. Um diesen Wald zu erreichen, muß jedes Mal ein recht langes 'Stäffele' bestiegen werden. Dabei handelt es sich um eine Art Trimm-Dich-Pfad mit etlichen zu überwindenden Höhenmetern und Treppen, die der Figur gut tun sollen.
Unglücklicherweise hat F. in den letzten drei Wochen durch Krankheit mehrere Kilogramm Gewicht eingebüßt und kann solch sportliche Einlagen gar nicht gebrauchen. So stand sie dann auch bei der ersten Treppenbegehung total unterzuckert am Abstieg und schaffte es nur mit Müh' und Not ins schützende Heim. Dem werten Leser und der werten Leserin, die an dieser Stelle schon den Zeigefinger heben und sagen wollen, daß es schrecklich nervt, wenn dünne Menschen lamentieren, daß sie nie zunehmen und Zitat "essen können, was immer sie möchten ohne anzusetzen" wird ohne Umschweife Recht gegeben. Jener schreckliche Brauch geht tatsächlich allen auf den Keks, vorallem weil er meistens von Menschen gepflegt wird, die in Wirklichkeit essen wie die Spatzen und nur vorgeben, einen tollen Stoffwechsel zu haben. Hier ist das aber ganz und gar anders. F.s Magen erweist sich nämlich als viel zu klein für all die Massen an Nahrung, die sie zu sich nehmen müßte, um das verlorene Gewicht wieder an ihrem Körper begrüßen zu dürfen. Drum ißt sie den lieben langen Tag fleißig, damit ständig verbrannt und umgesetzt werden kann. Sogar sonntags wird gegessen, was das Zeug hält. Wenn dann aber eine blöde Treppe in der wundervoll hügeligen Stuttgarter Landschaft herumsteht, darf mit gutem Gewissen Zorn aufsteigen! Schließlich zappelt F. sonst schon andauernd durch die Gegend. Stillsitzen müßte sie, tagein tagaus!
Dafür wird morgen Zeit sein, denn morgen findet die Beamtenvereidigung statt. Zehn Stunden lang wird vereidigt und dienstbesprochen. F. hofft zwar, daß nur tolle und hochinteressante Dinge behandelt werden, die Wirklichkeit sieht aber bestimmt genau andersherum aus. Ob Langeweile auch Kalorien verbrennt?

4 Kommentare:

  1. Zwar kann ich nicht essen, was ich will, tue es aber TROTZDEM. Dafür würde ich Dich bei Durststrecken dann aber auch die Reststrecke bis nach Hause tragen. Ehrenwort!

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  2. *grins an A. = Vorsicht!*
    und euch dreien wünsche ich sehr: fühlt euch bald ein wenig heimisch,
    sächselt weiter so gut es eben geht und denkt euch wenigstens am Küchentisch Dresden vor`s Fenster! Dem neuen Gassiservice rate ich dringend, die J. gut im Auge zu behalten und der J. leg ich ans Herz es ihm nicht all zu leicht zu machen :-)))
    Bleibt gesund!
    Und GLÜCKWUNSCH zur Verbeamtung!

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  3. Herzlich Willkommen in BaWü! Es hätte einen schlimmer treffen können

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  4. @Norma Das stimmt sehr wohl. Es geht auch schlimmer.
    @M. Vielen Dank. Der neue Service reicht in allen Punkten nichtmal annähernd an Dich heran, aber was will man machen. 10 Stunden Alleinsein am Stück sind keine Alternative.

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