Sonntag, 1. Februar 2009

Sind sie relativ zufrieden oder sehr zufrieden?

Sonntagabendschicht von 17 bis 21 Uhr, erster Arbeitstag bei der LochimBauch GmbH.

Alle außer den Neuen kommen auf den letzten Drücker. Einführung in die Handhabung der Software für anderthalb Stunden an flimmernden 15 Zoll Monitoren von vor dem Krieg. In den Tastaturen klebt "Zeugs". Da das Callcenter aus über 100 (!) Plätzen besteht, die fast alle besetzt sind, herrscht ein ständiges Hintergrundgemurmel. Welche Art von Umfrage ist denn bitte so wichtig, daß die Regierung Kanadas eine Durchführung Sonntagabends anordnet? Nunja, denkt sich F., das kann heiter werden.

Die Umfrage heißt Alberta und richtet sich ausschließlich an Bewohner dieser Provinz. In einer 15minütigen Fragesession soll herausgefunden werden, wie wenig zufrieden die Albertaner mit ihrer Regierung sind. Es stellte sich heraus, daß sie sogar dermaßen unzufrieden sind, daß eine Umfrage für sie keine Option ist. Nach zweieinhalb Stunden am Telefon hat F. gerade mal einen Fragebogen vollständig, den eine 70jährige Frau mit Katze beantwortet hat.
Auszug aus dem Gespräch:
  • F.: Wo sehen Sie sich in 5 Jahren? Wie wird es Ihnen gehen? Besser, schlechter oder gleich?
  • Frau mit Katze: In 5 Jahren bin ich bestimmt tot.
  • F.: Gilt das als "besser" oder "schlechter"?
  • F.m.K.: Besser.
Alles muß sehr genau sein. Die Antwortenden dürfen nicht einfach sagen, daß sie "zufrieden" sind. Sie müssen unbedingt auswählen zwischen "relativ zufrieden" und "sehr zufrieden". Man kann auch nicht einfach mit etwas "übereinstimmen" - entweder man "stimmt ein bißchen überein" oder "vollkommen".
Nach 4 Stunden am Telefon wußte F. eines ganz genau: Dies war der blödeste Job des Universums. Im Auftrag der Regierung zuhause bei Leuten anrufen und ihnen die Zeit stehlen, dafür dann am Telefon zusätzlich angeschrien werden. Was will man mehr.

Glücklicherweise ruft F. nur am Wochenende in Privathaushalten an. Wochentags von 8 bis 12 werden Firmen in Deutschland belästigt. Herr Dr. Johann-Brechtholdt Müller von Taubich-Stein, Chef der Marketingabteilung von der Schnürsenkel-Gossefriemel GmbH hat aber keine 15 Minuten Zeit und Frau Annika-Elke Storkhahn-Zwetschge ist gerade in einem Meeting. Herr Marlik Kossepugel arbeitet schon seit Oktober nicht mehr hier und bei Pfundshubel und Söhne machen wir ja generell keine Umfragen mit. Frau Sonja Nathias ist grad zur Tür raus. Der Herr Koschfromm hat bis Freitag Urlaub. F. hört unzählige Warteschleifenmelodien in dreifacher Ausführung, komplett mit der in stark akzentbehaftetem Englisch von der Sekretärin aufgesprochenen Mitteilung, daß man doch auch eine Mail schicken könne. Juur coall is werie impoartent tuu ass! Manchmal setzt man auf Samba, bei Volkswagen klimpert ein fünftklassiger Keyboardkünstler und die Linda AG spielt Schlager.
Immerhin ist es weit weniger peinlich, Leute vom Arbeiten abzuhalten, als unbescholtenen Bürgern sonntags ihre Freizeit zu klauen. Dennoch bleibt als Fazit, daß berufsmäßige Belästigung im großen Stil nicht ganz F.s Temperament entspricht. Übergangsmäßig sicher auszuhalten, schließlich bieten sich innerhalb der nächsten Zeit hoffentlich noch weitere Möglichkeiten. Für 5 Monate allerdings eine absolute Horrorvision.

2 Kommentare:

  1. Das bisschen Horror kann so schlimm nicht sein, sagt mein...
    Du Arme! Bin echt geneigt Mitleid raus zu schicken...
    Aber nööö! Lass ich mal. Reicht nur für J. :-)
    Nimmt sie zu?

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  2. Na danke :-)

    Die Fusseltante nimmt natürlich nicht zu, obwohl wir jetzt komplett auf fettiges Fleisch umgestellt haben. Allerdings friert sie auch nicht und man sieht die Rippen momentan nicht.
    Ich glaub, sie läuft einfach mehr, je größer die Portionen sind. Pfff.

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