Mittwoch, 24. März 2010

Aus Freude sollst Du singen und gehen!

Endlich steigen die Temperaturen dauerhaft. Seit einer Woche fällt das Thermometer auch nachts nicht unter 10 Grad und gerade eben schielen F.s müde Augen auf 19°C. Ein neuer Rekord! Ob Stuttgart auch die 20 schafft? Oder 21? Wie gut, daß schönes Wetter kostenlos ist, denn so kann man sich immer noch mehr davon wünschen, ohne an die Bezahlung denken zu müssen. Damit bildet das Wetter keineswegs eine Ausnahme auf der Welt - nein, es gibt Vieles, woran sich gratis zu erquicken man befugt ist. Ohne finanziellen Mehraufwand hat man das Vergnügen, sich mit anderen Leuten zu treffen, ein lebhaftes Gespräch zu führen oder bildungsfernen Bürgern zu lauschen, die den Busfahrer anpöbeln. Jeder darf völlig unentgeltlich in der Sonne sitzen, Frauen anbaggern, Passanten beobachten und mittwochs in Stuttgart Museen besuchen. Abends die Sterne anschauen, mit dem Hund spazierengehen, Radfahren (wenn man schon ein Gefährt besitzt) und dabei herzhaft auf die Fresse fliegen kostet alles nüscht. F. möchte sogar behaupten, daß es bei genauem Hinschauen ebenso viele kostenfreie Dinge auf der Welt gibt, wie teure. Ganz provokant wäre, zu sagen, unter der Sonne existierten gar mehr frei erhältliche, als hart zu erarbeitende Güter! Provoziert werden soll hier aber nicht, deswegen bleibt diese Behauptung in der Schublade für 'Weisheiten, die man erst ab Mitte 50 herausposaunt'.
Umso seltsamer ist es nun, daß viele Menschen vergessen, was alles so gratis im Leben auf einen zukommt. Zu sehr damit beschäftigt, ständig an Leistung und Gegenleistung zu denken, verliert Mancher jegliches Gefühl für die Handlung um ihrer selbst willen. Dinge, die man tut, werden zur Ware, die an andere Leute verteilt werden möchte. Statt etwas zu machen, weil man es einfach möchte, weil es schön ist, verschiebt sich die Perspektive hin zum positiven Effekt der eigenen Taten auf die Mitmenschen. 
Klar habe ich den Hund der Nachbarin eigentlich nur aus purer Freude an dem Tierchen ausgeführt und nicht aus der Absicht heraus, ihr einen Gefallen zu tun! Aber werde ich dies die Nachbarin wissen lassen? Natürlich nicht. Es würde mir ja den Vorteil verderben, daß sie mir jetzt offiziell einen Gefallen schuldet. Zwar müßte ich der Dame - wenn ich absolut ehrlich wäre - für den schönen Nachmittag mit ihrem Köti danken, jedoch macht sowas kein Mensch. 
Und habe ich nicht meinen besten Freund angerufen, weil ich mir etwas von der Seele reden wollte? Natürlich, aber dennoch war wieder ich es, die sich gemeldet hat, obwohl er doch dran gewesen wäre! Unzuverlässiger Schnösel.
So verderben die Leute sich den Spaß am Handeln und stolpern über die emotionale Abrechnung der vielen Dienstleistungen, die sie ihren Mitmenschen tagtäglich erbringen. Dinge werden nicht mehr aus der Lust heraus getan, aus Freude, aus Langeweile, sondern um ihres Tauschwertes willen. Genau diesen Tauschwert möchte F. am Liebsten aufgebracht schnaufend zusammenknüllen und gemeinsam mit mindestens 20 entsetzlich langweiligen Lateingrammatikarbeitsblättern 13 gewitterumwölkte Jahre in einem häßlichen Plastikmülleimer schmoren lassen! Hinfort mit ihm! Nach sechs Jahren sollen in selbigen Mülleimer sogar noch zwei Stapel Abituraufgaben des Faches Physik geworfen werden! Da, Tauschwert, nimm dies!

Samstag, 20. März 2010

Geld. Macht. Freizeit.

"Lehrer haben laut Volksmund vormittags recht und nachmittags frei."
 F. muß nun aber feststellen, daß der Volksmund ein dreckiger Lügner ist. Zwar hat man im Regelfall fachlich tatsächlich recht, der Unterricht hört jedoch an den meisten Schulen an mindestens zwei Tagen in der Woche erst um 17 Uhr auf. 
"Aber eine Unterrichtsstunde hat doch nur 45 Minuten und deswegen ist dauernd Pause!"
poltern vorwurfsvoll die hart arbeitenden Bevölkerungsschichten, welche dem Lehrer mit ihren Steuergeldern sein schönes Leben finanzieren. Sicher, wenn man das Lehrerzimmer abschlösse und mit einem Schild versähe, um all die fragenden und um Rat bittenden Schüler auszusperren und am Klopfen zu hindern, hätten zumindest jene Lehrkräfte Pause, die gerade nicht bei -10°C auf dem Schulhof ins  halbgefrorene Schnittchen beißen und Jonathan-Eugen davon abzuhalten versuchen, dem blöden Chris einen Schneeball mit kastaniengroßer Steinfüllung an die Ömme zu zimmern. Dann würde nur noch die einmal wöchentlich stattfindende Dienstbesprechung den Lehrer von der wohlverdienten Pause trennen. Dort erfährt man, daß Matthias kürzlich in den Status eines Scheidungskindes absteigen mußte, weswegen er nun zum Zwecke der realitätseinbeziehenden Traumatabewältigung die beobachtete häusliche Gewalt im Klassenzimmer nachzustellen versucht. Josephines Vater ist mit dem Ausgang der Fürsorgeverhandlung nicht zufrieden und versucht darum, im Rahmen der Schulpausen näher an seine Tochter zu gelangen. Alle Lehrer werden deshalb gebeten, den aufdringlichen Manne  auf dem Schulgelände vom Kinde fernzuhalten. Das Vorklingeln ertönt, die Erwachsenen lauschen genervt dem Schullleiter und krümeln Brötchenstücke in die mit Lehrbuch-CDs vollgestopften Schreibtischschubläden. Kurz vor Unterrichtsbeginn bildet sich wieder eine ellenlange Schlange im Kopierraum, alle hetzen in ihre Klassen.
Wenn tatsächlich um 13 Uhr Schulschluß ist, heizt man nach Hause und bereitet bis 18 Uhr Unterricht vor oder liest sich die grammatischen Sünden von 32 Sechstklässlern durch. 30 Minuten pro Aufsatz (aber nur, weil der ziemlich kurz ist) machen 16 Stunden Korrekturaufwand. Pro Klausur, pro Klasse.
Auf Klassenfahrt manövriert der Pädagoge dann 30 Vierzehnjährige durch die Weimaraner Innenstadt und versucht spätabends, die ganze Bande vor den Untiefen des Alkoholkonsums zu retten. Wird eine Schülerin schwanger, verklagt der Vater den Lehrer selbstverständlich wegen unterlassener Aufsichtspflicht. Ja will der etwa, daß man der minderjährigen Schönheit beim Akt auch noch zuschaut?!
 "Überbezahlt sind sie sowieso, gerade in den Ferien", tönt es empört von eifrigen Eltern, die auch schonmal gern das Gericht bemühen, weil sie nicht damit einverstanden sind, daß der Geschichtslehrer von gegenüber die ganzen 14 Tage Ferien auf Mallorca verbringt. Schande, Schande! Nun will F. sich keineswegs über den Beruf beschweren, den sie selbst auserwählt hat. Sehenden Auges stürzt sie ins Geschehen, die Vor- und Nachteile gut geordnet im Hinterkopf behaltend. Jedoch soll eines klargestellt werden: Wer neidvoll übermäßig hohe Bezahlung bei geringem Arbeitsaufwand zu den Vorzügen zählt hat diversen, persönlich besuchten Bildungseinrichtungen entweder erfolgreich verwehrt, positiv auf den eigenen Geist zu wirken oder gehört gar zu den Dummen. Daß das hier mal klar ist.

Dienstag, 16. März 2010

Sachsens Stolz, Autos Schmerz.

Mehr oder weniger liebevoll erinnert F. sich an den unmöglichen Menschen, der in Montréal die Scheibenwischer unsanft ihrer Nähe zum Auto beraubte. Nun passierte Ähnliches mit der alten Suzukischmette hier in der Nähe von Stuttgart - Stadt der oberen Mittelschicht ohne alternative Tendenzen. Bösartige Mistpimmelchen, wahrscheinlich zwischen 15 und 20 Jahren alt, rissen beide Außenspiegel, den hinteren Scheibenwischer und die Antenne vom Gefährt. Experten gaben als mögliche Ursache an, daß das Auto frecherweise noch über ein NOL Kennzeichen mit sächsischem Wappen verfüge. Welch unglaublicher Affront! Natürlich ist es absolut unaushaltbar, wenn wohlhabende Jugendliche in einer Kleinstadt vor Stuttgart mit einem Armeleuteauto aus dem bösen Sachsen konfrontiert werden. Die schlechtere finanzielle Situation anderer Bürger kann einen wirklich aufregen. Da muß man handeln! Was liegt also näher, als die Besitzer des Wagens durch mutiges Handanlegen davon zu überzeugen, eine Neuanschaffung beschleunigt vorzunehmen? Die Umwelt lüpft auf jeden Fall dankend den Hut. 
F. grübelt jedoch noch immer, wie um alles in der Welt die Bildung der Täter derart ausgefeilte Ausmaße annehmen konnte, daß sie tatsächlich dazu in der Lage waren, ein sächsisches Wappen zu identifizieren. Was ist da in der Hauptschule schiefgelaufen? War der Lehrer zu gut? Waren die Schüler zufälligerweise ausgeschlafen und nüchtern? Verstanden sie gar die Arbeitsanweisung der Lehrkraft und kamen so zum ungewohnten Kompetenzzuwachs? Man wird wohl auf ewig im Dunkeln tappen.
Flutendes Licht widerum drang jüngst in die Wissenslücke um das Wesen von 8. und 9. Klässlern. F. sieht es endgültig als erwiesen auch, daß auch 14 und 15jährige Jugendliche zur Gattung Mensch zu zählen sind. Dies fand sie in umfangreichen persönlichen Studien im Rahmen ihrer Tätigkeit an der Schule heraus. Zwar wäre es trotzdem stressfreier, die jungen Leute mit spätestens 13 in ein künstliches Koma zu versetzen und erst fünf Jahre später wieder zu wecken; da diese Vorgehensweise aber erheblichen logistischen Aufwand bedeutet, kann auch ein Verbleiben im Wachzustand in Betracht gezogen werden. Obwohl verzaubert und in vielerlei Hinsicht - teilweise sogar auf freiwilliger Basis - vollkommen entstellt, besitzen stark pubertierende Menschen durchaus gute Eigenschaften. Sie fördern die Genußmittelindustrie und gestalten die Weiterentwicklung von Tabakwaren und Alkohol maßgeblich mit. Sie kaufen die neonfarbenen Turnschuhe, um Platz für schönere Modelle zu schaffen. Sie rufen einem ins Gedächtnis, warum es auch gut sein kann, der fummeligen Friseuse nicht vollkommene Schnittfreiheit zu geben. Sie lassen die eigene Haut reiner und die Intelligenz größer erscheinen. Sie geben einem Anlaß, das erreichte Alter mehr als Geschenk und weniger als Verfall zu betrachten. Danke, liebe 8. und 9. Klässler! F. nimmt lieber die Sechser oder Zehner, aber sie erkennt Eure Vorzüge dennoch an. Ihr müßt Euch nicht fürchten! Der Zustand der allgemeinen Verwirrung geht meistens vorbei. Ansonsten könnt Ihr immernoch zum Fernsehen gehen... oder in die Lokalpolitik.