Freitag, 8. Juli 2011

Dienstags und freitags

Vor zwei Wochen waren A., F. und J. in Begleitung von S. und dem Lethargolabrador ferienbedingt einige Tage außer Haus, fern vom engen Stuttgart, und räkelten sich dekadent auf den karierten Picknickdecken Sachsens. Durch chinesischinduzierte Magenprobleme wurde die Abreise leicht ins Wanken gebracht, durch weiteres typisches Zuspätaufstehen/Zuspättaschepacken/Nochtankenmüssen/WoistmeineSonnenbrille/Ichmachmirnur-nochkurzdieHaare verzögerte sich das Losfahren um einige Zeit. Das Staubsaugen der Wohnung gelang A. ordnungsgemäß - schließlich möchte niemand von erholsamen Ausflügen in eine schmutzige Wohnung zurückkehren - aber die Hausordnung (süddeutsch: Kehrwoche) schaffte man nicht mehr.
(Grimmige Beschreibungen des baden-württembergischen Kehrwochenwahns sollen hier keinen Nährboden finden. Der Schwabe ignoriert Dienstleistungsunternehmen zur Gebäudereinigung im Privatsektor weitestgehend, aber das darf doch auch bitte jeder Hausbesitzer selbst entscheiden. In anderen Lebensbereichen gesteht man den Individuen schließlich auch freimütig  das dauernde Dreckigsein zu. Gärtnern, linksextremistischen Randgruppen, Motocrossfahrern. Niemand hat jemals davon gehört, daß finstere Zuschauer dem erschöpften Motocrossfahrer ein kleines Plastikbeutelchen mit vom Moped gekratzten Schlammresten an den Lenker hängen würden. Deswegen ist es mit Sicherheit auch eine absolute Ausnahme, daß der nette schwäbische Nachbar bisweilen kleine Tütchen mit im Laufe der Woche eingesammelten Hundehaaren an die Klinke der Wohnungstür hängt. Kein Grund zur Aufregung.)
Zum Glück wohnen in A.s und F.s Haus überhaupt keine Schwaben, sondern nur - um die Waiblinger Kreiszeitung einmal in ihrem dauernden randrassistischen Gelaber zu zitieren - Menschen mit deutlichem Migrationshintergrund. Was deutlicher Migrationshintergrund ist und wie er sich von undeutlichem unterscheidet, müssen andere, kompetente Fachkräfte in ihrer Freizeit herausfinden. Jedenfalls meckern die netten Menschen mit deutlichem Migrationshintergrund in der Regel niemanden wegen irgendeiner Kehrwochenlappalie an und benutzen ihre Plastikbeutel auch eher, um exotische Speisen im Kühlschrank länger haltbar zu machen. Als A. und F. jedoch von ihrer mehrtätigen Abwesenheit zurückkehrten und das Treppenhaus betraten, bot sich ihnen ein Bild des Jammers: Geigenmusik im Westernstil spielte leise klagend, der Wind fegte vertrocknete Lindenblüten über die Stufen, Colaflecken deflorierten den glatten Stein! F. spürte  die langen Finger des Schames streng tastend an ihrem Herzen, als mit starkem Akzent folgender Satz fiel: "Is dreckig, nich?"
Ja, Frau Nachbarin aus dem zweiten Stock, s'ist dreckig, da darf man ruhig Salz in die Wunde streuen. Der schwäbische Nachbar hätte wahrscheinlich die Lindenblüten durchs angekippte Fenster in die Wohnung des Übeltäters geschmissen und man würde sich tagelang über solche Unverhältnismäßgkeit aufregen. Frau Graziano hingegen spricht einen Satz und man fühlt sich furchtbar ertappt. Genauso ertappt wie beim Anblick dieses Blogs, das seit reichlich zwei Monaten vertrockneten Unrat aller Art durch seine Hallen fegen sehen muß.
Dies soll sich nun ändern! Eine Regel wurde erstellt. Jeden Dienstag und Freitag wird ein neuer Eintrag kredenzt - koste es, was es wolle. Fotos häufen sich ja eh in F.s Archiv, hinreichend tolle Ideen sowieso, es liegt also nur an der Faulheit. Mal sehen, wie lange sie es durchhält.

P.S.: Nachbarn mit deutlichem Migrationshintergrund sind einem übrigens nur dann meist milde gestimmt, wenn man selbst keinen hat. Die in der Türkei geborene Frau des Hausverwalters, ebenfalls gebürtiger Türke, vertraute F. in der Vergangenheit zum Beispiel ganz selbstverständlich an, daß "Neger" [sic!] sowieso schlecht putzen und es deshalb kein Wunder sei, wie's bei der Frau aus dem ersten Stock immer aussehe. Als sie von der 'unkonventionellen' Partnerschaft zwischen A. und F. erfuhr, lachte sie nur freundlich und meinte "Lieber so jemand, als Leute mit Kopftuch." Immer schön reintreten in Richtung dessen, was vermeintlich unten ist...

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