Mittwoch, 15. Oktober 2008

Ein unschuldiges Leben...


...mußte heute abrupt enden. F. und J. waren unterwegs im Park Maisonneuve. Große Fläche, viele Bäume und je ein zahmes Eichhörnchen auf 10qm. Um ein Massaker zu vermeiden, lief das Tier an der 10m Schleppleine. Alles war toll, das Wetter schön, der Hund gut zu steuern, da fiel F. plötzlich das berühmte Premack-Prinzip ein: "Die beste Belohnung ist die Erlaubnis, dem im jeweiligen Moment größten Reiz nachgehen zu dürfen." Gedacht, getan, als J. wieder einmal nur wenige Meter mustergültig am Eichhorn vorbeizuckelte, entdeckte F. in 50m Entfernung ein weiteres Pelztier direkt neben einem Baum.

Super Gelegenheit, denn so schnell würde J. niemals sein, das Eichhörnchen könnte sich locker auf den Baum retten und der Hund wäre glücklich. Also Schleppleine abgemacht, Hund abgelegt, Startkommando gegeben und dann...tja dann...

J. schoß voran wie ein Pfeil, aber das blöde Nagetier lief in einem suizidalen Anfall unsagbarer Idiotie vom Baum weg statt auf ihn hinauf. Schon war J. am Eichhörnchen, packte zu, das kleine Tier entwandt sich dem Griff, wurde wieder gepackt und mit einem einzigen knackenden Geräusch totgeschüttelt. Sofort stoppte J., legte sich ordnungsgemäß ins Platz, die Beute neben sich liegend.

F. von Natur aus mit wenig Mitleid, dafür aber viel Antipathie gegenüber der überbordenden Eichhörnchenpopulation, die offiziell als Plage gilt, ausgestattet, hätte das nun unter normalen Umständen als ungeplantes Mißgeschick betrachtet. Zu vermeiden, aber auch kein Beinbruch. Doch da erklang eine Stimme auf Französisch von der Seite:

Joggerin: "Hat Ihr Hund da eben ein Eichhörnchen massakriert?"
F. (schamlos lügend): "Nein, die jagt die nur immer auf Bäume, die kriegt sie nicht."
Joggerin: --- (ratloses Schweigen, unsicherer Blick zum immernoch ordnungsgemäß im Platz liegenden Hund).
Zwei weitere Spaziergänger kamen an und sprachen mit der Joggerin, während F. sich zum Hund stahl und diesen möglichst unauffällig lobte. Schließlich hatte sie das Kommando gegeben und J. hatte nichts anderes getan, als dieses brav auszuführen.

Im Rücken diskutierten immer noch die drei Menschen, die ja eigentlich genug gesehen haben mußten, um sich eindeutig sicher zu sein, daß der Hund das Eichhörnchen getötet hatte. Irgendwie war die Tragweite des Konzeptes von Leben und Tod aber an den drei nordamerikanischen Bürgern vorbeigegangen.
F. überlegte. Wohin jetzt bloß mit dem toten Tier? Liegenlassen stand ja wohl außer Frage. Also schnell eine Kacktüte zur Hand und ab in die Gassigehtasche, wo es den Dummys, Ziehseilen und Taschentuchpäckchen Gesellschaft leistete. Dann rasch den Hund angeleint und den Schauplatz des Verbrechens verlassen. Puh.
Im Auto stellte F. sich die unmöglichsten Szenarien vor. War es möglich, daß ein Polizist sie anhalten würde? "Haben Sie da etwa einen toten Nager in der Tasche im Fußraum Ihres Wagens? Führerschein und Fahrzeugpapiere bitte!" Schnell fuhr sie nach Hause und legte das Eichhörnchen in der Tüte erstmal in die Küche, um es näher zu begucken. Groß war es und hatte noch einen Grashalm in der linken Pfote, so plötzlich war es überrascht worden. Intellektuell als auch körperlich sicher keins der herausragenderen seiner Art. Um es zu häuten und als ordentliche Hardcore-Rohfütterin dem Hund vorzuwerfen, fehlte F. eindeutig die nötige Erfahrung.

Letztendlich wurde es nur fotografiert, A. vorgezeigt und ungegessen bestattet. Es hatte ja noch so viel vor...

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